Herzlich Willkommen zu den AI FIRST Insights!
"Felix, was sind denn unsere Use Cases?"
Drei Jahre GenAI-Hype und trotzdem ist das noch immer die mir am häufigsten gestellte Frage.
Viele Unternehmen bleiben in der "Produktivitäts-Falle" stecken. E-Mails schreiben, Meetings transkribieren, Ideen generieren.
Der Sprung zu fachbereichsspezifischen Anwendungen und echter Prozessintegration fällt schwer.
Deshalb starte ich heute eine dreiteilige Serie:
- Teil 1 (heute): Chancen entdecken - Probleme identifizieren
- Teil 2: Use Cases bewerten - Die richtigen Prioritäten setzen
- Teil 3: In die Umsetzung kommen - Erfolgreich implementieren
Am Ende der heutigen Ausgabe hast du ein klares Vorgehen, mit dem du systematisch GenAI-Potenziale in jedem Bereich deines Unternehmens aufspürst.
Los geht's!
3 typische Fehler
Drei Jahre GenAI-Hype und trotzdem dümpeln die meisten Unternehmen bei oberflächlichen Anwendungen herum. Warum ist das so?
Aus meiner Beratungspraxis sehe ich drei zentrale Probleme:
Problem 1: Unklare Prozesse
Die meisten Unternehmen haben ihre eigenen Abläufe nicht durchdrungen. Sie können nicht präzise beschreiben, welche Aktivitäten Schritt für Schritt in einem Bereich ablaufen. Ohne diese Prozessklarheit ist es unmöglich, konkrete KI-Anwendungsfälle zu identifizieren. Diese Grundlagenarbeit muss gemacht werden - da helen auch die besten KI-Modelle nichts.
Problem 2: Zu groß gedacht
Statt spezifischer Use Cases werden ganze Anwendungsfelder betrachtet. Klassisches Beispiel: "Customer Service automatisieren." Dahinter stecken dutzende verschiedener Anwendungsfälle - von Ticket-Kategorisierung bis Sentiment-Analyse. Diese fehlende Granularität macht jeden Use Case ungreifbar und überkomplex.
Problem 3: Unkenntnis der GenAI-Fähigkeiten
Entscheidern fehlt das konkrete Verständnis für GenAI-Stärken und -Schwächen. Wie soll man KI-Potenziale in eigenen Prozessen erkennen, wenn unklar ist, was GenAI kann und was nicht? In der Praxis wird dann oftmals versucht, den Nagel mit der Bohrmaschine in die Wand zu schlagen.
Der Lösungsansatz
Für Problem 1 und 2 benötigt es strukturierte Vorarbeit: Prozesse durchdringen, in konkrete Aktivitäten aufschlüsseln und sauber dokumentieren.
Für Problem 3 gilt: Erst Use, dann Case. Menschen müssen erst praktische GenAI-Erfahrung sammeln, bevor sie Use Cases entwickeln können.
Von Tools zu Business-Herausforderungen
Der typische Fehler: Wir haben ein neues Tool und fragen uns "Was könnten wir damit machen?"
Das ist nicht grundsätzlich verkehrt - im Gegenteil. Du solltest deine tägliche Arbeit aus KI-Perspektive hinterfragen und die überlegenen Fähigkeiten von Large Language Models konsequent nutzen. Aber nicht dort stehen bleiben.
Ich unterteile in 2 Phasen:
Phase 1: KI in persönliche Arbeitsweise integrieren
Generative KI sollte tief in die Routinen jedes Wissensarbeiters integriert sein. Das sind nicht immer klare Use Cases mit scharfen Abgrenzungen - es ist eine neue Art zu arbeiten und über Aufgabenerledigung nachzudenken.
Phase 2: Business-Herausforderungen in den Fokus
Erst nach der persönlichen Integration kommt der Blick auf spezifische Anwendungsfelder.
Hier drehst du die Perspektive um:
Statt "Was kann KI?" fragst du "Was braucht mein Business?"
- Wiederkehrende Aufgaben: Was beansprucht aktuell die meiste Zeit und Ressourcen?
- Engpässe und Ineffizienzen: Wo hakt es regelmäßig in deinen Abläufen?
- Ungenutztes Potenzial: Was machst du heute nicht, obwohl es großen Impact auf Mitarbeiter oder Kunden hätte - nur wegen menschlicher Limitierungen oder Ressourcenmangel?

5 Schritte Framework
In den letzten 3 Jahren habe ich ein pragmatisches Vorgehen entwickelt, um Business-Herausforderungen / Probleme / Potenziale in GenAI Use Cases zu überführen.
Schritt 1: Aufgaben identifizieren
Notiere für eine Abteilung anhand der drei Kernfragen die wichtigsten Aufgaben mit echtem Potenzial. Nutze diese Struktur:
"Wir müssen [Aktion] um [Ergebnis/Fortschritt] zu erreichen."
Schritt 2: Aufgaben zerlegen
Für jede identifizierte Aufgabe beschreibst du:
- Input: Was benötigt ein Mensch heute, um diese Aufgabe auszuführen?
- Schritte: Welche Aktivitäten führt er aus, um das Ergebnis zu bekommen?
- Output: Wie sieht das finale Ergebnis aus?

Schritt 3: GenAI-Fähigkeiten zuordnen
Jetzt wird's konkret: Du nimmst die einzelnen Schritte und ordnest ihnen GenAI-Fähigkeiten zu. Wichtig: KI kann nicht alles! Ich unterteile die Fähigkeiten so:
Analysieren:
- Text verstehen & analysieren
- Bild erkennen & analysieren
- Audio verstehen & analysieren
- Video verstehen & analysieren
- Code analysieren & prüfen
Generieren:
- Text generieren & bearbeiten
- Bild erstellen & bearbeiten
- Audio & Sprache erzeugen
- Video erstellen & bearbeiten
- Code generieren & vervollständigen

Schritt 4: KI-Aufgaben formulieren
Für jeden Schritt mit KI-Potenzial formulierst du die konkrete KI-Aufgabe aus und ergänzt, ob menschliches Urteilsvermögen weiterhin erforderlich ist oder der Schritt vollständig delegierbar wird.

Schritt 5: Prozess AI-First denken
Oft wird ein bestehender Prozess mit KI schneller gemacht, ohne zu hinterfragen, ob der Prozess in der Form und mit den vorhandenen KI-Fähigkeiten noch der beste Weg ist.
Ein gutes Beispiel ist die Content-Erstellung.
Es ist einfach, mit GenAI einen bestehenden Content-Prozess zu beschleunigen und einfach den gleichen Content in kürzerer Zeit zu produzieren.
Viel spannender ist jedoch, den Prozess neu zu denken:
- Zielgruppen-spezifische Content Recherche und Kuratierung
- Personalisierte Erstellung des Contents auf die Zielgruppen
- Simulation der Content-Performance mit KI-Personas
- KI-generierte A/B Tests, für das Real Life Testing
- Analyse & Optimierung anhand A/B-Test Ergebnisse
> Nicht immer ist ein AI-First Prozess möglich oder sinnvoll und oft im 1. Schritt auch deutlich komplexer. Aber es lohnt sich, darüber nachzudenken und die Erkenntnisse für spätere Iterationen zu dokumentieren.
Von fehlender Klarheit zu Struktur
Kürzlich arbeitete ich mit einem Mittelständler, der genau in dieser Situation steckte:
Einzelne Mitarbeiter nutzten ChatGPT für Alltagsaufgaben, aber echte Use Cases
Fehlanzeige.
Wir sind systematisch durch verschiedene Abteilungen gegangen und haben das beschriebene Framework angewendet.
Das Ergebnis: Eine strukturierte Übersicht, wo GenAI tatsächlich unterstützen kann.
Und endlich mehr Klarheit.
Aber dann kamen natürlich die nächsten Fragen auf:
Womit fangen wir an?
Wie bewerten wir die Use Cases?
Und wie setzen wir das konkret um?
Genau diese Fragen beantworte ich in den nächsten beiden Teilen dieser Serie.
🏁 Fazit
Der Sprung von persönlicher ChatGPT-Nutzung zu echten Business-Use-Cases ist machbar - aber nur mit dem richtigen Vorgehen.
Starte bei deinen Business-Herausforderungen:
- Engpässe
- Probleme
- Ungenutzten Potenziale
Formuliere daraus klare Aufgaben, unterteile diese in Arbeitsschritte und mappe sie mit GenAI-Fähigkeiten. Nur so bekommst du Klarheit und kommst auf eine umsetzbare Ebene.
Das Schöne: Dieses Vorgehen funktioniert in jedem Unternehmensbereich.
Key Takeaways
- Erst Use, dann Case: Sammle praktische GenAI-Erfahrung, bevor du Use Cases entwickelst
- Denke in Aufgaben, nicht in Prozessen: Zerlege komplexe Abläufe in konkrete, mappbare Arbeitsschritte
- Starte bei Business-Problemen: Identifiziere Engpässe, Ineffizienzen und ungenutztes Potenzial
- Nutze die GenAI-Fähigkeiten systematisch: Analysieren und Generieren als Grundlage für die Zuordnung
- Hinterfrage grundsätzlich: Ist die heutige Arbeitsweise noch der smarteste Weg zum Ziel?
Hast du weitere Fragen zur Identifizierung von KI Use Cases? Schreib mir einfach :)
Bis nächsten Sonntag,
Felix
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